Entspannung, Ruhe, gute Gespräche

Silvesterfreizeit mit verwitwet.de e.V.

Der Verlust des Partners trifft meiner Meinung nach jeden, ob plötzlich und unerwartet oder nach langer Krankheit, mit enormer Härte. Auch wenn ich weiß, dass ich es schaffen kann beziehungsweise muss, sind es doch gerade Feste wie Weihnachten oder Silvester, die mir klar vor Augen führen, dass der andere fehlt. Freunde oder Bekannte wollen oft nichts mehr davon hören. Oder sie wissen einfach nicht, wie sie damit umgehen können. Für mich und meine fünfjährige Tochter war es ein riesiger Glücksfall, Silvester mit anderen Verwitweten und deren Kindern zu feiern.

Organisatoren der Reise
Es gibt Menschen, die ein besonderes Talent haben, andere zusammen zu bringen. Bei Anette kommen noch ein ausgeprägtes Organisationstalent und Herzlichkeit hinzu.

Schon seit 2001 engagiert sie sich im Verein verwitwet.de e.V., seit 2005 organisiert sie auch die Silvesterreisen. »Dabei habe ich erkannt, wie wichtig diese Reisen für Verwitwete und ihre Kinder sind«, erzählt sie. Denn ein Ziel der Reise für Verwitwete ist, dass sich alle einmal fallen lassen können. Und zwar in ein Netzwerk, bei dem alle ein gemeinsames Schicksal eint: den Verlust des Partners und für die Kinder den Verlust von Mama oder Papa. Auch ohne Maren und Andrea wäre diese Reise undenkbar gewesen. Andrea stellte für die Kinder – zwischen vier und 12 Jahre alt – ein abwechslungsreiches Programm mit Malen, Spielen, Toben, Schneemann bauen und Ausflügen zusammen. Und Maren „verschwand“ jeden Tag stundenlang in der Küche, um für alle ein phantastisches Essen zu zaubern.

Ziel der Reise
„Der heilklimatische Kurort Todtmoos liegt mit seinen dreizehn Ortsteilen im Landkreis Waldshut inmitten des Naturparks Südschwarzwald. Todtmoos steht in erster Linie für einen naturverbundenen Aufenthalt mit wissenschaftlich anerkannten heilklimatischen Eigenschaften“, kann man auf der Homepage des Ortes nachlesen. Sehr idyllisch auf einer Anhöhe mit Blick über den Ort liegt Haus Sternwarte, Gästehaus vom 29. Dezember bis 04. Januar für dreizehn Kinder und dreizehn Erwachsene.

Abwechslungsreiches Programm
Wer jetzt denkt, Winter im Schwarzwald bedeutet Ski- und Schlittenfahren, hat sich leider getäuscht. Waren Heiligabend im Südwesten Deutschlands bis zu 19 Grad plus, hatte ich gar nicht mehr mit Schnee gerechnet. Aber wenigstens rund um Haus Sternwarte liegt kurz nach Weihnachten noch ein bisschen Schnee, gerade genug für die Kinder, um mit Andrea einen Schneemann zu bauen und ein bisschen zu rodeln.

Die Kinder gut versorgt, beginnt am ersten Tag auch für die Erwachsenen das Programm: Ein kleiner Spaziergang von Haus Sternwarte bis nach Todtmoos. Zeit genug, sich ein wenig kennenzulernen und auszutauschen. Für mich ist diese Art der Gespräche neu. Zum ersten Mal seit Monaten muss ich nicht mehr überlegen, wie ich anfange, was ich herausfiltere, was ich nicht sage. Überhaupt habe ich das Gefühl, in letzter Zeit nicht viel gesprochen zu haben. Doch hier mein Gegenüber ähnliches erlebt. Das bedeudet, er bewertet nicht, gibt keine seltsamen Ratschläge, sagt nicht: “Nun ist es aber mal gut”. Das hat mir unendlich gut getan.

Gemeinsam sitzen wir im Café, fahren mit den Kindern in ein Wellnessbad nach Titisee-Neustadt, besichtigen ein Bergwerk in Todtmoss, wandern auf über 1400 Metern Höhe, machen es uns in einer urigen Schwarzwaldhütte gemütlich, lauschen den Einheimischen, reden und lachen gemeinsam. Auch abends sitzen wir in der “guten Stube” von Haus Sternwarte und unterhalten uns. Für mich ist alles so einfach, total Fremde kommen mir schnell vertraut vor. Auch die Kinder gehen liebevoll und nett miteinander um. Das zu beobachten macht mir eine enorme Freude.

Toll finde ich auch das Beratungsangebot von Andrea. Sie ist ausgebildete Trauerbegleiterin. Wer will, kann in Einzelgesprächen über seine Trauer und die seines Kindes sprechen. Oder sich einfach massieren lassen, denn auch das bietet Andrea als Physiotherapeutin an.

Höhepunkt Silvester
“Ich koche die ganze Woche sehr gerne für euch”, so Maren, “aber an Silvester seid ihr dran.” Regelrecht aus der Küche vertrieben, überlässt Maren den anderen ihr Reich. In der Küche wird den ganzen Tag gebacken, geschnippelt, gerührt und gekocht. Mit Erfolg, das gigantische Silvesterbuffet kann sich sehen lassen: eine tolle Auswahl an leckeren Snacks, Salaten, Süßspeisen und warmen Essen!

Und ganz im Geheimen haben Andrea und die Kinder das Abendprogramm vorbereitet … um dann am Abend eine moderne Variante des Märchenklassikers Aschenputtel vorzutragen. Spiele für alle kamen auch nicht zu kurz. Mit Böllern, Krachern und Raketen begrüßen wir um Mitternacht das Jahr 2013.

Vielseitiges Kinderprogramm
Malen, basteln, Theaterspielen, Schlittenfahren, einen Schneemann bauen, Filme sehen, das Heimatkundemuseum besuchen, wandern, mit den Kindern spielen, ab und an auch einmal einen kleinen Streit schlichten,... Das alles leistet Andrea. Sie stellt für die Kinder ein tolles Programm auf die Beine. Meine Tochter bekomme ich manchmal stundenlang nicht zu Gesicht.

Eine schönes Mitbringsel ist der Schutzengel, den die Kinder mit Acrylfarben gemalt haben. Mit güldenem Haar ziert er nun die Garderobe meiner Tochter. So erinnert sie sich fast täglich an den Urlaub.

Für mich bleiben die Gespräche in Erinnerung. Einige gaben mir eine andere Sichtweise auf den Tod, Trost ist auch, dass ich nicht alleine sein muss mit meiner Trauer, dass es andere gibt, denen es auch so geht.

Ich hoffe, dass wir noch weitere gemeinsame Reisen unternehmen können. Vielen Dank an Anette, Maren und Andrea. Ohne sie wäre die wunderschöne Reise nicht möglich gewesen!

Das Programm im Bergwerk und im Heimatmuseum wurde finanziell von Spendern unterstützt, die anonym bleiben möchten. Die Unterkunftskosten für die Kinder hat der Verein verwitwet.de e.V. übernommen. Vielen Dank.

Der Verein ist im Internet unter www.verwitwet-ev.de zu finden.

Hilke Michaelis